Texterklärung
Der Hebräerbrief beschreibt Christus als Hohepriester, indem er die Parallelen des Dienstes Jesu mit diesem von Gott gestiftetem Amt
herausstellt. Unser Abschnitt unterstreicht, dass Jesus mit uns leidet und versucht worden ist, aber ohne in Sünde zu fallen (V. 15). Mit dem Hinweis, dass Christus ein Hohepriester „nach der Ordnung Melchisedeks“ sei, deutet der Hebräerbrief Psalm 110,4 und 1. Mose 14,18 auf Christus hin und fasst so zusammen, dass Christus Gottes Sohn, König und Hohepriester in einem ist.
Jesus betet für uns
Wer ist Jesus? Auf diese Frage antwortet der Hebräerbrief: unser himmlischer Hohepriester. Das Amt des Hohepriesters war den Adressaten des Hebräerbriefs vertraut. In den weiteren Kapiteln kann der Hebräerbrief geradezu als Predigt über Christus als Hohepriester gelten (Hebr 6-10).
Die besondere Aufgabe des Hohepriesters war, einmal im Jahr am Versöhnungstag im Allerheiligsten für die Sünden des Volkes um Vergebung zu bitten, indem er das Blut der Opfertiere auf die
Bundeslade sprengte (3Mo 16). Die Lade galt als Schemel der Füße Gottes auf Erden, während der Himmel sein Thron ist (Jes 66,1; vgl. Mt 5,34; 23,22).
Wie in 1. Timotheus 2,5 beschreibt der Hebräerbrief Jesus als einen solchen Vermittler, der beim Vater zunächst im Gebet für uns eintritt. In Johannes 17 sehen wir konkret, wie Jesus im Garten Gethsemane diese hohepriesterliche Aufgabe für seine Gemeinde wahrnimmt. Das Vaterunser ist die kompakteste Form dieser Fürbitte, vor allem in der Bitte um die Vergebung der Schuld.
Unser Abschnitt stellt heraus: Jesus leidet mit und ist versucht worden wie wir – aber er ist nicht schuldig geworden. Hebräer 5,7 erinnert daran, wie Jesus unter Hingabe seines Lebens mit Flehen, Schreien und Tränen für uns gebetet hat und bis zuletzt den Willen des Vaters erfüllte. Mit ihm dürfen wir vor den himmlischen Thron der Gnade kommen (Hebr 4,16). Eine andere priesterliche Vermittlung ist nicht mehr nötig (vgl. 1Tim 2,5).
Jesus – Sohn Gottes, König und Hohepriester
Hohepriester konnte nur sein, wer dazu berufen und gesalbt wurde. Diese Salbung sieht der Hebräerbrief in der Taufe Jesu mit dem göttlichen Zuspruch aus Psalm 2,7 erfüllt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Psalm 2 wurde vermutlich auch bei der Einführung der Könige Israels rezitiert. Während zur Zeit Israels Königtum und Priestertum getrennt waren, erinnert der Hebräerbrief an zwei biblische Traditionslinien, in der die beiden Ämter zusammengeführt werden: Einmal in der Gestalt Melchisedeks, des Königs und Priesters von Salem, der Abraham segnete und ihm mit Brot und Wein entgegen ging und als „Priester Gottes des Höchsten“ (1Mo 14,18) bezeichnet wird.
Die andere Linie ergibt sich aus der Verbindung von Psalm 2 und Psalm 110,1-7. Psalm 2 und 110 gehören zu den sog. messianischen Psalmen, da in ihnen Funktionen des gesalbten Königs (Messias/Christus) beschrieben werden. Neben dem Gericht über die Völker (vgl. Psalm 2) tritt in Psalm 110 die priesterliche Funktion unter Berufung auf Melchisedek hinzu (vgl. die Auslegung in Hebr 7).
Jesus hat im Streitgespräch mit den Pharisäern
(Mk 12,35-37 / Mt 22,41-46) Psalm 110 auf sich selbst hin ausgelegt mit dem Akzent, dass der in Psalm 110 verheißene Christus nicht nur ein Nachfahre Davids sei, sondern dessen Herr. Psalm 110 ist auch deshalb der am häufigsten zitierte alttestamentliche Text im Neuen Testament. Der Hebräerbrief führt entsprechend nur weiter aus, was Jesus selbst von sich gelehrt hat: Er ist derjenige, der als Sohn Gottes, König und Hohepriester auf dem Thron Gottes sitzen wird (Mt 19,28).
Jesus gibt sich selbst für uns hin
Was unser Abschnitt nur andeutet, beschreibt Hebräer 9 ausführlicher: Christus bittet nicht nur für uns, sondern er gibt sich selbst – ein für alle Mal – als Opfer hin (Hebr 9,12).
Karfreitag ist der Ort im Kirchenjahr, wo wir uns ganz besonders an dieses Geschenk erinnern. In Württemberg ist es Tradition, dass miteinander Abendmahl gefeiert wird. Der Segen in Brot und Wein, den Melchisedek Abraham spendet, gilt nun allen Völkern.
Fragen zum Gespräch
- Vorschlag: Wir feiern gemeinsam Abendmahl.
- Wir bitten um Vergebung, indem wir aufschreiben, was uns belastet und am Kreuz abgeben (mit Stiften auf Steine schreiben, Zettel in Klagemauer, in Feuerschale verbrennen …)
Lieder: FJ3 177 Welch ein Freund ist unser Jesus, FJ4 157 Who am I, FJ3 220 O Haupt voll Blut und Wunden, FJ6 34 Mutig komm ich vor den Thron, FJ6 30 Dort am Kreuz