Mitten in gesellschaftlicher Orientierungslosigkeit und einem geistlichen Tiefpunkt im Volk Gottes wird das Beten einer Frau zum weitreichenden Wendepunkt. Dies geschah „zu der Zeit, da kein König in Israel war und jeder tat, was ihn recht dünkte“ (Ri 21,25). „Damals war das Wort des Herrn selten und es gab kaum noch Offenbarung“ (1Sam 3,1). Doch gerade da wird allein aus Gnade und in wundervoller Weise ein Sohn geschenkt, der Priester und Prophet wird.
… in familiärer Not und seelischem Kummer
Es ist eine „fromme“ Familie, in der sich große Not und Streitigkeiten entwickeln. Elkana, ein Levit, dessen Name „Gott gehörend“ bedeutet, hält sich an religiöse Vorschriften und zieht jährlich nach Silo, um Opfer zu bringen. Zugleich nimmt er sich neben Hanna eine zweite Frau. Möglicherweise ist es die Kinderlosigkeit von Hanna, die ihn dazu veranlasst. Auch andere bedeutende Männer wie Abraham und David lebten Vielehe. Gott duldete sie, aber sie entspricht nicht seiner ursprünglichen Absicht, dass ein (!) Mann und eine (!) Frau eine Einheit bilden (1Mo 2,18.24), die ein Abbild der Liebe Gottes zum Menschen ist.
Auch hier führt die Mehrehe mit den verletzenden Sticheleien von Peninna zu unsäglicher Not von Hanna. Bis heute erleben etliche Frauen Kinderlosigkeit als einen Verlust von gesellschaftlicher Wertschätzung, Lebensperspektive und Belastung für die Ehe (vgl. 1Mo 30,1.2). Selbst das geistliche Leben und die Gottesbeziehung können in Frage gestellt sein durch den Eindruck, dass Gott sie nicht segnet, wo er doch die Vermehrung als Auftrag genannt hat (1Mo 1,28).
In Hanna wächst Verzweiflung, als bei fröhlichen, geistlichen Feiern die Demütigungen von Peninna eskalieren, Elkana keine Grenzen setzt und sich durch die Trauer von Hanna selbst in Frage gestellt fühlt.
… wenn wir im Glauben „aufstehen“ und über uns hinausbeten
Trotz psychisch starker Belastung und der Frage, warum scheinbar Gott „ihren Leib verschließt“ (V. 6), zieht sich Hanna nicht zurück, sondern bleibt in der Glaubensgemeinschaft und geht treu Jahr für Jahr mit zum Heiligtum und betet Gott an. Darin ist sie bis heute ein Vorbild; aber auch im bedeutsamen „Aufstehen“ (V. 9) aus einer depressiven Lethargie, um mit ihrem Schmerz in die Gegenwart Gottes zu kommen.
Damit lebt sie geradezu im Gegensatz zum sitzenden (V. 9) Eli, der die üblen Vergehen seiner Söhne passiv hinnimmt (2,12.29). Am Eingang könnte sie ermutigt worden sein durch die Türpfosten, an denen in Israel das Glaubensbekenntnis stand: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott …“ (5Mo 6,4.9). Im Vertrauen zu ihrem Herrn benennt sie in intensivem Beten die erdrückenden Gefühle, die Bitterkeit, die verletzenden Erfahrungen. Dabei ist sie die erste Glaubende, die Gott als „Herr Zebaoth“ („Herr der Heerscharen“, „Allmächtiger Herr“) erkennt und so anspricht. Erinnerte sie sich an Abraham, dem Gott angesichts seiner Kinderlosigkeit die Heerscharen von Sternen zeigte, als Hinweis auf unzählige Nachkommen?
Dieser Gottesname umfasst auch die Herrschaft über jenseitige Mächte und die göttliche Souveränität angesichts menschlicher Kriegsheere. Er wird von nachfolgenden Generationen und Propheten mit am häufigsten gebraucht, auch in auswegloser Lage. Hanna steigt im Gebet auf die tiefste Stufe, gibt sich völlig an Gott ab und bezeichnet sich dreimal (V. 11+16) als leibeigene Magd. Zugleich erbittet sie das Höchste: einen Sohn, den sie in den Dienst Gottes stellen möchte.
… und wirkt Heil vom persönlichen bis ins gesellschaftliche Leben
Gott überwindet Elis mangelnde geistliche Einsicht und kritische Haltung gegenüber Hannas Gebetsart (in der Regel wurde sonst laut gebetet) und gibt ihr eine prophetische Zusage. Er sendet die Beterin mit einem Friedensgruß (V. 17) auf ihren weiteren Weg, sodass sie die Gnade Gottes tiefer ergreifen kann (V. 18) und erleichtert auf den verheißenen Sohn wartet. Gott gedenkt seiner Gebetszusagen und wirkt eine schöpferische Tiefe im Eheleben, sodass ihnen der erwartete Sohn gegeben wird. Samuel – übersetzt: Gott erhört Gebet – wird selbst zum geistlichen Lehrer, zum betenden Fürsprecher für das Volk (12,23; Jer 15,1) und salbt später die ersten Könige. Damit ist er ein Hinweis auf den Messias, den ultimativ erwarteten Sohn.
Fragen zum Gespräch
- • Beten für belastete Ehen und für Ehepaare mit Kinderwunsch.
- • Wo haben wir persönliche Gebetserhörungen erlebt, die Wirkung in unser Umfeld hatten?
- • Zum Abschluss: Gemeinsam beten wir den Lobpreispsalm von Hanna (Kapitel 2).
Lieder: GL 233, FJ5 143 Du bist ein Wunsch