Daniel 3,1-30
Die Erzählung führt in die letzte Nacht des letzten Herrschers der (neu-)babylonischen Dynastie. Belsazar (auch: Belschazzar) war ein Nachkomme des Großkönigs Nebukadnezar; dieser hatte über 40 Jahre lang (605–562 v. Chr.) regiert. Vers 11 nennt ihn Vater von Belsazar. Babylonische Urkunden erwähnen eine Generation dazwischen: König Nabonid. Dieser war gerade auf Feldzügen unterwegs; die Regierungsgeschäfte nahm Belsazar wahr. Oder genauer: Er nahm sie nicht wahr. Denn das Heer der Perser näherte sich Babylon. Anstatt darauf zu reagieren, veranstaltete Belsazar ein rauschendes Fest, eine Mega-Party. Daniel war zu dieser Zeit schon ein alter Mann und dem Belsazar unbekannt.
Hochmut
Belsazar, eigentlich nur Kronprinz, will groß rauskommen und gefeiert werden. Je mehr Menschen mit ihm trinken und sich an Frauen freuen, desto besser, denkt er. Wie vielen Politikern geht es ihm vor allem um Macht und Applaus. Dabei ist die Lage brenzlig. Der griechische Historiker Herodot berichtet, dass die Babylonier noch ein Fest feierten, als die Perser bereits in die Stadt eindrangen. Das Saufgelage steigert sich zur Gotteslästerung. Aus Hochmut wird Übermut: Belsazar verhöhnt Gott, indem er die Tempelgefäße holen lässt, die Nebukadnezar als Kriegsbeute aus dem Jerusalemer Tempel brachte. Nun will Belsazar aus ihnen trinken und auf die Götter Babylons anstoßen. Ein krasser Affront! Der Vergleich der genannten Materialien ist spannend (Gefäße V. 3, Götter V. 4+23).
Aber „Gott lässt sich nicht spotten“ (Gal 6,7): Noch „im gleichen Augenblick“ (V. 5) erscheint eine Schrift an der Wand, für alle gut lesbar „gegenüber dem Leuchter“. Vier aramäische Wörter. Keine Person, nur die schreibende Hand. Gott findet Wege, sich zu Wort zu melden, auch wenn niemand da ist, der das Wort sagen kann. Belsazar erschrickt, wird blass, nachher noch blasser, am Ende leichenblass.
Armut
Belsazar versteht die Schrift nicht. Aber dafür hat er sein Personal. Lautstark befiehlt er, die Gelehrten zu holen (in der Nacht!): Sterndeuter und Magier (vgl. Mt 2,1). Doch nun zeigt sich die Machtlosigkeit der babylonischen Weisheit gegenüber dem göttlichen Eingreifen. Der Hochmut der Gott-Verhöhnung wird zur Armut des Nicht-Verstehens, was Gott sagen will. Das Erschrecken ist groß. Die Knie zittern.
Zum Glück hat das die Königinmutter mitbekommen. Sie ist noch nüchtern und gibt den entscheidenden Hinweis. Sie erinnert sich an Daniel. Der hatte einst Nebukadnezars Träume gedeutet und hohe Ämter bekleidet. Und er ist noch bekannt als einer, „der den Geist der heiligen Götter hat“. Das ist babylonisch-religiös formuliert; dass es sich um den Geist des lebendigen Gottes Israels handelt, zeigt sich jetzt.
Glaubensmut
Daniel lehnt souverän die angebotenen Geschenke ab. Er ist nicht bestechlich. Voller Glaubensmut tritt er auf. Er spricht vom „höchsten Gott“ (V. 21), den Belsazar verhöhnt hat. Wie viel Glaubensmut haben wir, um unseren höchsten Herrn Jesus Christus auch dort zu bezeugen, wo man ihn ablehnt oder verlacht? Daniel stellt klar: Gott ist nicht einfach ein wohltätiger Geist, über den wir uns erheben könnten. Sondern er ist auch der Richter und Lenker der Weltgeschichte. Dies wird im Mene-Tekel deutlich: Gott ist Herr über Tage und Zeiten; er setzt dem Reich ein Ende (mene). Er hat das Leben des Belsazar gewogen und für zu leicht befunden (tekel); sein Reich wird geteilt und den Medern und Persern gegeben (peres, parsin).
Eine erschütternde Botschaft. Mit ihr beendet Gott das babylonische Großreich. Belsazar wird noch in dieser Nacht getötet. Das Heer der Meder und Perser erobert Babylon. Kurze Zeit später entlässt der persische Großkönig Kyros die Juden aus dem babylonischen Exil und lässt sie in ihre Heimat zurückkehren. Eine neue Epoche in der Geschichte Israels beginnt.
Fragen zum Weiterdenken und Gespräch
- „Gewogen und zu leicht befunden“: Wie sieht die Waage bei mir/bei uns aus? Was hat in unserem Leben Gewicht? Und was bedeutet es, wenn wir bekennen: Jesus gab sich für uns hin, damit wir am Ende keine verlorenen Leichtgewichte sind, sondern Gottes geliebte Kinder?
- Gott und die Götter – dieser Konflikt zieht sich durch die Daniel-Geschichten. Wobei interessant ist: Bereits in Dan 2,47 (vgl. 4,34) preist Nebukadnezar den Gott Israels als „Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige“. Wie schnell wurde das wieder vergessen? Sehen wir Parallelen zur Gott-Vergessenheit heute?
- Damals war es die Königinmutter, die an Daniel erinnerte. Wo sind heute Mütter und Väter, die im richtigen Moment an Gottes Wort und an Jesuszeugen erinnern?
- Gibt es für uns „heilige“ Gefäße oder andere Gegenstände, Räume usw., die man missbrauchen und so Gott verhöhnen kann?
- Was könnte auf der „Wand“ unseres Lebens stehen? Mene tekel oder Jesu Kreuz?
Lieder: GL 500, FJ5 194 Erhebt den Herrn, denn er ist heilig