10/2025-11/2025

Zwischen Himmel und Erde

Daniel 10,1-21

Das zehnte Kapitel des Danielbuches gewährt uns einen Einblick in das, was sich zwischen Himmel und Erde abspielt, wenn Menschen beten und Gott antwortet. Daniel, inzwischen ein alter Mann, lebt am persischen Hof. Er ist hat schon viel erlebt (nicht zuletzt die Löwengrube), aber dennoch ist er zutiefst aufgewühlt. Er erkennt: Schweres liegt vor seinem Volk. Statt in Aktionismus oder Panik zu verfallen, beginnt er zu fasten und zu beten – drei Wochen lang. Keine köstliche Speise, kein Wein, keine Salbung. Nur Stille, Verzicht und innere Sammlung. Daniels Haltung ist geprägt von Demut, Ausdauer und Sehnsucht nach Gottes Reden. Eine geistliche Haltung, die herausfordert: Wie oft erwarte ich Gottes Reden und wie oft schaffe ich dafür Raum, halte Stille oder faste sogar? Wie oft geht mir die Kraft aus oder anderes kommt dazwischen?

Der Weg der Vorbereitung

Die drei Wochen des Fastens und Stillwerdens sind in gewisser Weise schon Teil der göttlichen Offenbarung. Daniel bereitet sich nicht auf ein Reden Gottes vor – er tritt hinein in einen geistlichen Raum, in dem Gott schon ist und sein Reden überhaupt erst hörbar wird. Fasten, Stille und Beten sind dabei keine magischen Hebel oder verlangte Werke, sondern Ausdruck einer geistlichen Haltung. Sie öffnen ihn für Gottes Wirklichkeit und weiten den Raum zwischen Himmel und Erde. Daniel zeigt: Wer Gott begegnen will, braucht oft Ausdauer und Geduld.

Eine Vision

Dann, am 24. Tag des ersten Monats, wird Daniel am Tigris von einer Vision überwältigt. Ein Mann, ganz in Leinen gekleidet, mit feurigen Augen und einer Stimme wie ein großes Brausen, erscheint ihm. Einige Ausleger deuten die Gestalt als Engel oder sogar als eine präexistente Christusgestalt „Und siehe, einer, der einem Menschen gleich war, rührte meine Lippen an.“Diese Erscheinung ist überwältigend. Daniel ringt nach Worten und vergleicht die Gestalt mit Dingen, die ihm bekannt sind. Er verliert schließlich alle Kraft. Er fällt auf sein Gesicht – sprachlos, ohnmächtig. Die Gottesbegegnung sprengt seine Kraftgrenzen. Und doch ist sie nicht vernichtend, sondern stärkend, aufbauend und wohltuend.

Immer wieder wird Daniel in der Szene berührt und aufgerichtet. Und immer wieder hört er die gleichen Worte: „Fürchte dich nicht, Daniel!“, „Friede sei mit dir!“, „Du von Gott Geliebter!“ Diese Wiederholung ist kein Zufall – sie ist Trost, Zuspruch und Fundament für das, was folgt. Gott begegnet Daniel nicht nur mit einer Offenbarung, sondern mit Zuwendung. Im Zentrum dieser himmlischen Begegnung steht die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Daniel wird mit Namen angesprochen.

Der Kampf

Faszinierend finde ich den Bericht über die Gebetserhörungsverzögerung (V. 12ff.). Der Engel erklärt: Vom ersten Tag an war Daniels Gebet erhört – doch der „Engelfürst des Königreichs Persien“ hielt ihn auf. Erst mit Hilfe Michaels, eines der obersten Engel, konnte er Daniel erreichen. Was hier geschildert wird, klingt für moderne Ohren fremd – und ist doch eine zutiefst tröstliche Wahrheit. Es gibt zwar geistliche Kämpfe, die wir nicht sehen. Aber unser Beten bleibt nicht ungehört – selbst wenn es zunächst so scheint. Gottes Antwort ist manchmal unterwegs, gebremst von Widerständen, die wir nicht kennen. Aber Gott kämpft. Für sein Volk. Für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Und er setzt Kräfte in Bewegung, die über unser Vorstellungsvermögen und unsere Kraft weit hinausgehen.

Fürchte dich nicht!

Der letzte Zuspruch des Engels klingt nach (V. 19): „Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost!“ Es sind Worte, die nachklingen in einer Zeit, in der vieles erschüttert wird und laut ist. „Fürchte dich nicht“ ist einer der häufigsten Sätze, die Jesus Christus gesagt hat (Mt 14,27; Lk 2,10). Das verständliche Wort Gottes spricht klar durch das laute Dickicht aus Unverständnis. Wer Ohren hat, zu hören …

Impuls

  • Daniel 10 ist ein Text über eine Gottesbegegnung – durch Fasten, Beten und Warten. Ich denke, hier findet sich die Einladung, oft vernachlässigte geistliche Übungen neu zu entdecken. Fasten, Stille halten – das sind nicht verstaubte fromme Rituale, sondern Wege, auf denen wir bereit werden für das, was Gott sagen und tun will. Geht dir gerade die Kraft aus? Wünschst du dir, Gott zu hören?
  • Wie wäre es, sich in den kommenden Tagen eine Zeit des bewussten Verzichts zu nehmen – eine Woche ohne Nachrichten, Social Media oder gar ganz ohne Handy – verbunden mit täglichem Hören und Stillwerden? Vielleicht wirst du überrascht sein, wie sehr Gottes Wirklichkeit dein Inneres berühren kann, wenn du dich geduldig öffnest.
  • Ob du nun still wirst oder nicht, eins gilt: Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebte, du von Gott Geliebter.

Lieder: GL 528, FJ3 237 Meine Gnade weicht nicht von dir

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