Sacharja 9,1-6 oder 9,9-17
Texterklärung
Umrahmt von heilvollen Prophezeiungen ist dieser Abschnitt von mahnenden Worten geprägt. Die Worte können einerseits Belastung (vgl. Lutherübersetzung: „Last“) bedeuten, andererseits kann die angekündigte Veränderung auch Freiheit bringen – sofern auch die Menschen, die Gott bisher nicht kannten, zu ihm finden (vgl. Sach 8,20-23). Letztlich geht es um die Ansage Gottes, dass er die Geschicke der Menschen führt und trotz manchem Chaos am Ende das letzte Wort haben wird.
Alles im Blick
Gott spricht durch Sacharja zu seinem Volk Israel – aber nicht nur. Schon in den vorangegangenen Versen (Sach 8,20-23) hat er den Blick auf die Nicht-Juden gerichtet. Jetzt betont er nochmals, dass er alle Menschen im Blick hat: 1. Sein Volk Israel, 2. diejenigen die zu ihnen gehören, aber auf der ganzen Welt verteilt sind, und 3. auch alle anderen Menschen (V. 1). Diese universelle Perspektive macht Gott in vielen Prophetensprüchen deutlich und konkretisiert sie dann in Jesu Kommen für Juden und Nicht-Juden (vgl. z. B. Röm 1,16).
Dass Gott jeden Menschen im Blick hat, ist eine wichtige und ermutigende Aussage. Wir Menschen verlieren immer wieder den Überblick. Das Chaos dieser Welt ist riesig und überfordernd. Zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden, wird immer schwieriger. Immer wieder gehen einzelne Schicksale weltweit, aber auch in unserer Nachbarschaft, schlicht unter. Wie gut, dass Gott alle im Blick hat: Diejenigen, die ihn kennen, und diejenigen, die ihn nicht kennen. Diejenigen, die ihn lieben, und diejenigen, die nicht nach ihm Fragen oder ihn gar hassen. Diejenigen, die von allen gesehen werden, und diejenigen, die sonst niemand sieht. Gott hat alles im Blick.
Alles in Frage
Die Worte in unserem Textabschnitt sind sehr ernst. Die Nachbarvölker Israels haben nicht nach Gott gefragt und werden ohne ihn verloren sein. Deutlich wird das in der Beschreibung von Tyrus, einer Stadt, die in der damaligen Zeit als uneinnehmbar galt und sehr reich war. Der Erfolg hat die Menschen in Tyrus hochmütig gemacht. Die Beschreibung als „weise“ (V. 2) ist eine Selbstbeschreibung der Menschen aus Tyrus, die an dieser Stelle mit etwas Ironie wiedergegeben wird. Die Menschen verlassen sich auf ihre Weisheit, ihren Reichtum und ihre dicken Mauern. Aber sie verlassen sich nicht auf Gott. Diese Einstellung wird hier scharf hinterfragt.
Die Worte Gottes betreffen nicht nur die genannten Länder der Antike. Vielmehr kann der Text auch heute zum demütigen Hinterfragen anregen. In unserer westlichen Wohlstands-Gesellschaft ist die Gefahr hoch, dass wir uns wie Tyrus auf anderes als den Herrn verlassen. Es gilt, diese Versuchung zu erkennen, sich selbst in Frage zu stellen und sich immer wieder neu dem zuzuwenden, von dem alles abhängt.
Alles im Griff
Der Abschnitt macht deutlich, dass Gott alles in der Hand hat und die Geschicke der Völker und der ganzen Welt lenkt. Die hier angesprochenen Länder sind Gebiete, die Gott bei der Landnahme Israels seinem Volk zugesagt hatte (vgl. Jos 13). Es geht hier also auch darum, dass Gott seinen ursprünglichen Plan vollenden wird.Das kann als Warnung für alle verstanden werden, die Gott ablehnen. Zugleich ist es Verheißung für diejenigen, die auf die Vollendung von Gottes Reich warten. Das Reich Gottes bricht mit dem Kommen des Friedenfürsten (Sach 9,9, vgl. Mt 21,1-11) an und wird mit seinem zweiten Kommen vollendet werden.
Das allgemeine Weltgeschehen war damals wie heute sehr komplex und von Gewalt und Machtgier geprägt. Die einen meinen sie hätten alles in der Hand, die anderen stellen ernüchtert fest, dass sie nichts im Griff haben. Vieles in dieser Welt ist chaotisch, doch Gott macht in unserem Text deutlich: Auch wenn vieles geschieht, was er nicht gut findet, Gott wird alles zum Guten wenden. Manche Prophezeiungen sind bereits erfüllt worden. Andere Prophezeiungen werden noch erfüllt werden. Dann werden alle – Juden, Christen und Ungläubige – sehen: Nicht die politischen Herrscher dieser Welt, sondern der lebendige Gott hat alles im Griff!
Fragen (und Anregungen) zum Gespräch:
Vorschlag zum Einstieg: Eine auflockernde und zugleich anregende Hinführung könnte eine (im besten Fall: persönliche) Anekdote von einer Situation sein, in der man meinte, alles im Griff zu haben, und dann die Dinge doch anders liefen als gedacht.
• Welche Gefühle und Gedanken kommen mir als erstes, nach dem Lesen / Hören des Textes?
• Welche Gefühle und Gedanken habe ich, wenn ich Nachrichten über das Weltgeschehen lese oder höre?
• Inwiefern kann der Text eine Antwort auf die Probleme unserer Welt sein?
Lieder: GL 12, FJ6 16 Weil sich Gott zu uns Menschen stellt
Redaktioneller Hinweis:
Vielleicht ist Sacharja 9,1-6 für Weihnachten schwer auszulegen. Dann verwendet gerne in aller Freiheit Sacharja 9,9-17.
Hier findet Ihr Auslegungen, die bereits dazu erschienen sind:
https://auslegungen.die-apis.de
