Johannes 2,13-25
Texterklärung
Schon bei dieser ersten Begegnung mit der jüdischen Obrigkeit tritt sofort der grundsätzliche Konflikt zutage: Wer ist Jesus? Was darf er – was nicht? Und schon hier geht es um Jesu Tod und Auferstehen und was diese für sein Handeln bedeutet. Es geht um Jesu Vollmacht.
Das Fest
Nach dem Johannesevangelium ist Jesus dreimal in Jerusalem. Die Synoptiker erzählen es anders: Erst am Ende geht Jesus zum großen Showdown einmal nach Jerusalem. Kaum tritt Jesus öffentlich auf, begibt er sich nach Jerusalem, um dort das Passahfest mitzufeiern. Bei diesem Fest erinnerte man sich an die Sklavenzeit und Gottes Wundertaten beim Auszug aus Ägypten. Bis heute feiern Juden dieses Fest und verwenden am Sederabend verschiedene Kräuter, Gewürze usw., die alle einen symbolischen Verweis auf diese Zeit darstellen. Damals haben sie Gott erlebt wie nie. Es war ihre Sternstunde.
Der Skandal
Im Tempel begegnet Jesus Händlern und Geldwechslern. Sie waren für das Funktionieren des Tempelkultes nötig, da keiner sein Opfertier von weither, z. B. aus Galiläa, nach Jerusalem treiben konnte bzw. wollte. Darum gab es die Möglichkeit, kultisch reine Tiere vor Ort zu erwerben. Dies geschah innerhalb des Tempelbezirks im sog. Vorhof der Heiden. Dort war auch nur eine Währung erlaubt, die tyrische Doppeldrachme. Vermutlich aus rein profanen Gründen: Diese hatte einen stabileren Wechselkurswert als römische Provinzialmünzen.
Jesus aber ärgert sich über diese Entheiligung des Tempels. Persönliche Andacht war bei diesem Spektakel kaum möglich. Er gerät so in Rage, dass er sich kurzerhand eine Peitsche flechtet und handgreiflich alle hinauswirft. Seine Kernaussage (V. 16): „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“ Doch darf er das? Was nimmt er sich heraus? Wer ist er?
Die Debatte
Die jüdische Führungsriege reagiert mit einer Zeichenforderung. Er soll sich legitimieren, dass er so handeln darf. Jesus stellt ihnen tatsächlich ein Zeichen in Aussicht. Sie sollen den Tempel niederreißen, er wird ihn in drei Tagen wieder aufbauen. König Herodes hatte im Jahr 21/20 v. Chr. begonnen, den baufällig gewordenen Tempel zu restaurieren. Es war ein ehrgeiziges Prestigeprojekt, das sich in die Länge zog. Fertiggestellt wurde es erst im Jahr 63 n. Chr. Die Bauarbeiten waren bei jenem Passahfest also in vollem Gange, sie standen auf einer Baustelle. Die Juden verstanden Jesu Aufforderung wörtlich und waren mehr als irritiert.
Durch die Kommentierung des Evangelisten erfahren wir, dass Jesus nicht den realen Tempel meinte, sondern auf seinen gewaltsamen Tod anspielte. Sein Körper ist Gottes Tempel – ein noch viel gewaltigeres „Bauwerk“ als Herodes Prachtbau. Diesen aber werden sie am Kreuz niederreißen. Doch nach drei Tagen wird er auferstehen. Das weiß Jesus schon jetzt, drei Jahre im Voraus! Ausgesagt werden soll: Mit Karfreitag und Ostern weist sich Jesus als Gott aus! Und wer Macht über Tod und Leben hat, hat auch Macht über alle (Religions-)Gesetze.
Jesu Gesprächspartner können die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung nicht verstehen. Doch Jesu Jünger verstanden sie im Nachhinein (V. 17+22). Für sie hat er sich mit seinem Tod und Auferstehen legitimiert und steht über allen Regeln, auch die der Religion. Wir Leser heute sind aufgefordert, es wie sie zu tun: Kreuz und leeres Grab sind die Zeichen, dass Jesus Gott ist. Diese legitimieren ihn, alles neu zu definieren. Mit der Tempelreinigung hebt Jesus den Tempelkult insgesamt auf und bietet stattdessen einen Glauben, der auf ihn als Person bezogen ist. Er vergibt aus Barmherzigkeit, nicht aufgrund von Tieropfern. So haben in der Jesusnachfolge die hergebrachten Tieropfer keine Bedeutung mehr. Jesus definiert also die Art, wie wir Gottesbeziehung leben, aber auch die christliche Ethik (vgl. Mt 5,20ff.), das Zusammenleben als Gemeinde.
Praxishilfen
Fragen zum Gespräch
- Wenn Jesus wirklich Gott ist … darf er mir etwas sagen, in meinem Alltag mitreden? In welchem Lebensbereich ich mir (noch) nichts von ihm sagen?
- Formkonservative Christen übernehmen schnell Jesu Vorwurf, wenn in einer Kirche neue Elemente ausprobiert werden. Doch stehen wir damit wirklich in der Gefahr, aus Gottes Haus eine Markthalle zu machen? Was darf man in einer Kirche, was nicht?
- Auch Paulus überträgt das Bild vom Tempel und bezeichnet die Gemeinde (Eph 2,19-21) und jeden Glaubenden (1Kor 3,16f.; 6,19) als Gottes Tempel. Was meint er jeweils? Welche Konsequenzen hat das?
Lieder: GL 338, FJ6 120 Halt mich fest
