04/2025-05-2025

Christuszentriert und authentisch glauben – der Kolosserbrief

Ein Gefängnisbrief

Wissenschaftlich ist es seit dem 19. Jahrhundert umstritten, ob der Kolosserbrief von Paulus geschrieben wurde. In jüngster Zeit gibt es jedoch wieder mehr Ausleger, die – aus guten Gründen – Paulus und Timotheus für die Autoren halten. Aus Kolosser 1,24; 4,3.10.18 wird ersichtlich, dass Paulus den Brief an die Christen in Kolossä aus dem Gefängnis, vermutlich in Rom (60-61 n. Chr.), geschrieben hat. Persönlich hat Paulus die Gemeinde bisher nicht besucht, dennoch ist er mit ihr herzlich verbunden. Die Gründung der Gemeinde dürfte auf Paulus‘ Mitarbeiter Epaphras zurückgehen. Anlass des Briefes war eine Irrlehre, die Paulus jedoch nur indirekt benennt (Kol 1,23; 2,8.16-23). Der Stil des Briefes ist anders als im Epheser- und Philipperbrief weniger angriffslustig. Innerhalb der paulinischen Briefe ist das Schreiben an die Gemeinde in Kolossä eng mit dem Brief an die Christen in Ephesus verbunden – inhaltlich in Fragen, wie Christus, die Gemeinde und das Heil akzentuiert werden und nicht zuletzt durch den Überbringer der Briefe Tychikus (Kol 4,7; Eph 6,21). Vermutlich diente der Kolosserbrief als Vorlage für den Epheserbrief.

Ein Hymnus auf Christus

Mit dem Christushymnus (Kol 1,15-20) rückt das theologische Zentrum des Briefes für Paulus ungewohnt nach vorn an den Briefanfang. Im Mittelpunkt und an erster Stelle steht somit Jesus Christus, dessen Göttlichkeit Paulus vielfach herausstellt (Kol 1,15.19; 2,9; vgl.
Hebr 1,3; Joh 1,14ff.). Der Apostel wehrt damit jeden Versuch, Jesus lediglich als einen vorbildhaften Charakter, besonderen Menschen oder weisheitlichen Lehrer darzustellen, ab. Jesu umfassende Bedeutung zum Heil für Mensch und Welt wird in Kolosser 1,16 erkennbar, da „alles durch ihn zu ihm geschaffen“ ist. Diese Schöpfungsmittlerschaft Jesu ist eng mit seiner Präexistenz verbunden. Schon vor seiner Geburt im Stall war Jesus bei Gott (vgl. Joh 1,1) und deshalb kein Element der geschaffenen Welt. Eindrücklich beschreibt Paulus wie Christus nicht nur vor aller Schöpfung steht, sondern auch „der Erstgeborene von den Toten“ ist (Kol 1,18). Dabei gipfelt Paulus in der Feststellung, dass alle göttliche Fülle in Christus wohne. Eindrücklich, dass wir Christen durch Jesus Anteil an dieser Fülle bekommen.
Die paulinische Vorstellung vom Leib Christi, bei dem alle Christen Glieder dieses Leibes sind (Röm 12,4f.; 1Kor 12,12-27), wird im Kolosser- und Epheserbrief um Christus als dem „Haupt des Leibes“ ergänzt und weiterentwickelt (Kol 1,18; vgl. Eph 5,23b).

In Christus verbunden

Bemerkenswert ist – wie in den weiteren Paulusbriefen – die große Dankbarkeit des Apostels für seine Glaubensgeschwister und die darin zum Ausdruck kommende Verbundenheit. Sie überschreitet Gemeindegrenzen und schafft ein Bewusstsein dafür, dass es über den Tellerrand der eigenen Gemeinde hinaus zahlreiche Geschwister gibt, die ebenfalls zum Leib gehören (Kol 1,18) und aufgrund ihrer Situation der Fürbitte bedürfen (Kol 1,9). Damit spricht Paulus auch in unsere, von Individualismus geprägte Zeit und ermutigt, den Blick zu weiten. Des Weiteren betont er, dass es echtes Wachstum im Glauben ausschließlich in der engen Beziehung zu Jesus Christus geben kann
(Kol 2,5-7; 3,16f.).

Bemerkenswert ist die große Dankbarkeit
des Apostels für seine Glaubensgeschwister
und die darin zum
Ausdruck kommende Verbundenheit.

Leben und Ehre als untrennbare Einheit

Die Grundaussage des Paulus lässt sich in Kolosser 2,6 erkennen: Neben der einmaligen Annahme des Evangeliums geht es um die tägliche Entscheidung für einen Lebensstil, der in der Beziehung zu Christus und damit in der bereits benannten „Fülle“ (Kol 2,9f.) gründet. An kaum einer anderen Stelle im Neuen Testament werden christologische Aussagen mit ethischen Implikationen so stark verschränkt. Lehre und Leben gehören zusammen (Kol 3,18f.: Die christliche Haustafel). Heute würden wir es als authentisches und glaubwürdiges Christsein bezeichnen.

Gegenwärtiges und zukünftiges Heil

Mit Blick auf die bei Paulus häufig anzutreffende Spannung zwischen dem gegenwärtigen und dem zukünftigen Heil („schon jetzt – noch nicht“), schlägt das Pendel hier eher in Richtung Gegenwart aus, wenngleich Paulus auch vom künftigen, noch ausstehenden Heil spricht (Kol 2,17). Während etwa im Römer- oder 1. Korintherbrief die Auferstehung als zukünftiges Ereignis erwartet wird (Röm 6,3-5; 8,11.18-24; 1Kor 6,14), ist im Kolosserbrief die Auferstehung durch die Taufe – und damit Anteil an Jesu Sterben und Auferstehen – schon jetzt erlebbar (Kol 2,12; 3,1). Zugleich wird man diese Äußerung des Paulus nicht als theologische Weiterentwicklung betrachten können, sondern als Antwort auf eine konkrete Situation in Kolossä.
Der Kolosserbrief ist für Christen im 21. Jahrhundert in zweifacher Hinsicht Impulsgeber: In der unauflöslichen Verbindung von geschenktem Heil in Christus und dem daraus resultierenden Lebensstil sowie in der Bitte, in Verkündigung, Lehre und Leben treu an Jesus Christus und seinem Wort festzuhalten.

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