Ich kann gar nicht richtig sagen, wie es passiert ist – ein Zusammenspiel von vielen kleinen Faktoren, und plötzlich steckte ich mittendrin. Extrem wurde es bei mir, als nach dem Lockdown die Schule wieder losging und die 11. Klasse zum riesigen Stressfaktor wurde. Eine lange und enge Beziehung mit meinem „größten Feind“, der zugleich vorgab, meine „beste Freundin“ zu sein, begann.
Was viele Menschen nicht sehen: Eine Essstörung ist nie das eigentliche Problem, sondern immer ein Symptom von etwas Tieferliegendem. Bei mir war es die Suche nach Sicherheit und Erfüllung. Ich war sehr gut in der Schule und auch sonst immer bemüht, gewissenhaft und zuverlässig zu handeln. Die Anerkennung, die ich darin erfuhr, tat gut, war aber nie ausreichend. Deshalb habe ich angefangen, diese Erfüllung in der Kontrolle meines Essverhaltens zu suchen – ohne zu merken, dass ich, statt Kontrolle zu gewinnen, immer mehr ins Straucheln geriet. Der leere Magen war das eine, die hungernde Seele das größere Problem. Ich entwickelte eine Taubheit dafür, was gerade eigentlich abging. So rutschte immer weiter hinein, bis ich selbst gar nicht mehr am Steuer saß, sondern nur noch Beifahrerin war.
Das klingt sehr dramatisch – und leider leben wir in einer Zeit, in der Drama meist Aufmerksamkeit bringt. Dies macht das Loslassen der Störung zusätzlich unglaublich schwer. Ich wusste, ich steckte mitten in einer Essstörung und wollte dort wirklich wieder herauskommen. Aber ich wartete darauf, dass Gott die ganze Arbeit macht, denn schließlich: „Er ist doch unser Heiler.“
Ja – aber gleichzeitig ist mein Körper sein Tempel (1Kor 6,19f.). Der schwierigste Schritt heraus aus dem Ganzen war und ist, Tag für Tag zu realisieren, dass ich eine Verantwortung habe, für diesen Tempel – ein Geschenk Gottes – zu sorgen. Mit der Essstörung missbrauche ich meinen Körper, um mir Sinn und Wert zu geben, statt ihn als Werkzeug Gottes zu sehen, um das sich gekümmert werden muss. Gottes Zusage, zu heilen, befreit uns nicht von unserer Verantwortung, zu prüfen, womit wir unsere Seelen füllen – wahre Erfüllung in echter „Vollwertkost“ zu finden. Mein Gebet ist, dass wir die Kraft haben, uns gegen die Versprechen dieser Welt, aber für Gottes Wahrheiten zu entscheiden.