06/2025-07/2025

Weg von Gott hin zu Menschen

Einführung zu den Samuel-Texten | 1. Samuel 1-12.

Die Samuelbücher nehmen uns mit hinein in die Übergangszeit zwischen Richterzeit und Königtum in Israel. Ursprünglich bildeten beide Samuelbücher eine Einheit (die leider zu lang war für eine Schriftrolle) und fügten sich ein in die große Gesamtdarstellung der Geschichte Israels vom Einzug in das versprochene Land (Buch Josua) bis zum Zusammenbruch des Staates und der Zerstreuung im Babylonischen Exil (2. Könige).
Zentrale Personen sind der Prophet Samuel, König Saul und König David. Die Geschichten der drei Hauptfiguren sind miteinander verzahnt und zeigen im Verlauf Israels Weg aus dem losen Miteinander von Stämmen hin zu einer Nation.
Spannend sind die Zwischentöne in der Bewertung des Königtums. Ist das Königtum grundsätzlich Zeichen der Abkehr von Gott? Oder kommt es vor allem auf die Person im Amt und ihre Herzenshaltung an?

Schauen wir zunächst in den Beginn des 1. Samuel: Alles beginnt mit der wundersamen Geburt Samuels. Hanna, die gedemütigte Kinderlose bekommt nach ihrem inständigen Gebet durch Gottes Güte ein Kind geschenkt. Ihr Loblied in 1. Samuel 2,2-10 benennt die Grundthemen des Buches: „Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. (…) Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten (…). Der Herr wird richten der Welt Enden. Er wird Macht geben seinem König und erhöhen das Horn seines Gesalbten.“

Samuel wird schon als Kind Diener Gottes am Heiligtum in Silo unter dem Priester Eli. Gott erwählt Samuel in einer Wüstenzeit, als kaum noch Offenbarungen vernommen wurden (1Sam 3,1).
Doch Samuel wird berufen als Hoffnungsträger, „der wird tun“, spricht Gott, „wie es meinem Herzen und meiner Seele gefällt“ (1Sam 2,35).

In Kapitel 4-7 zeigt sich, wie sehr Israel durch die fortdauernde kriegerische Aggression der Philister herausgefordert ist. Doch in diesem Kampf wird die Niederlage klar in Verbindung mit Gott gebracht (1Sam 4,3): „Warum hat uns der Herr heute vor den Philistern geschlagen?“
Die Empörung ist groß. Gott muss doch helfen! Das Volk will siegen! Und so rüsten sie auf mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln: Die Lade Gottes wird geholt! (Ganz anders später David in 2. Samuel 15,24ff.) Doch die Lade Gottes lässt sich nicht instrumentalisieren. Sie wird von den Philistern weggenommen.
Der Priester Eli und dessen Söhne kommen dabei ums Leben. Ist nun Gott selbst in seiner Kraft gescheitert? Im Zusammenhang wird deutlich: Hier zeigt sich keine Schwäche Gottes, sondern sein Gericht. Gott ist nicht am Ende, wenn das äußere Zeichen seiner Gegenwart fehlt. Im Land der Philister sorgt die Lade für Turbulenzen, sodass sie schlussendlich wieder zurückgeschickt wird.
Zwanzig Jahre lang wird die Bundeslade im „Wartestand“ in einem Privathaus zubringen. Eleasar wird von den Ortsbewohnern als Priester geweiht (vgl. Ri 17,5-6: Dort wird in einer vergleichbaren Situation der König als ordnende Macht vermisst: „jeder tat, was ihn recht dünkte“.)
Nach dieser „leeren Zeit“ geht ein Ruck durch das Volk Israel: Sie wenden sich zurück zu Gott. Das inständige Gebet und die Hinwendung zu Gott führen zu Erfolgen über die Philister, die sich fest im Bewusstsein verankern sollen am Stein von Eben-Ezer: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen“ (1Sam 7,12).

Samuel wirkt nun als Prophet und Richter in Israel. In seiner Person bündelt sich dieses geistliche Amt in einzigartiger Weise. Gleichzeitig wird er als letzter Richter in Israel wirken (1Sam 7,15ff.). Auch seine Söhne sind, ähnlich wie Elis Söhne, untauglich und missbrauchen ihr Amt zur eigenen Bereicherung.
Vor diesem Hintergrund wird in Kapitel 8 der Wunsch der Ältesten Israels nach einem König laut. Will Israel Gott als wahren König ersetzen? Gott gestattet Samuel die Einsetzung eines Königs: „denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, dass ich nicht mehr König über sie sein soll“ (1Sam 8,7; vgl. dazu auch Gottes Königtum in Ps 47; Ps 93; Ps 95). 
Deutlich benennt 1. Samuel 8 die Gefahren dieser Sehnsucht nach dem starken Anführer: Der König wird nehmen, was er braucht, um einen mächtigen Staat aufzubauen. Er wird in Familien und Eigentum eingreifen. Er wird Abgaben fordern, so wie es dem altorientalischen Königsrecht entspricht.
Dennoch hat der Gesalbte einen Rettungsauftrag: Er soll das Volk aus der Hand der Philister retten (1Sam 9,16).
Unser Abschnitt endet mit der feierlichen Amtsübergabe durch Samuel. Samuel legt sein Amt nieder, um dem König Platz zu machen und doch wird er als Prophet weiter dienen. Zweierlei hält er fest: Saul ist der König, den das Volk erwählt und erbeten hat und ebenso der, den der Herr eingesetzt hat. Gott „entgleitet“ die Geschichte nicht. Er geht den Weg mit. Samuel nimmt Volk und König bleibend in die Verantwortung. Der Maßstab über Wohl und Wehe wird weiterhin sein, wie treu sie Gott folgen werden.

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