02/2025-03/2025

Wurzelbehandlung (Matthäus 5,21-32)

Texterklärung

An zwei konkreten Beispielen entfaltet Jesus, was er zuvor zu seinem Verhältnis zum Gesetz gesagt hat (Mt 5,17-20). Er ist nicht ein neuer Mose, der ein anderes Gesetz aufstellt – er versteht sich als Erfüller des alten Gesetzes. Mit radikalen Aussagen hält er seinen Zuhörern einen Spiegel vor Augen. Niemand kann einfach sagen: „Ich bin doch kein Mörder oder Ehebrecher.“ Er geht dem 5. und 6. Gebot an die Wurzel (radix = Wurzel) und erläutert, was er mit der „besseren Gerechtigkeit“ (V. 20) meint.

Töten ist mehr als Mord

„Wir sollen jedes Leben achten, das Gott schenkt. Wir dürfen nicht über unser eigenes und über ein anderes Leben bestimmen. Deswegen sollen wir keinem Mensch Leid zufügen, weder körperlich noch seelisch – denn auch Worte können töten.“ Sehr treffend hat ein Konfirmand seine Auslegung des 5. Gebotes für die heutige Zeit zusammengefasst.

Worte und Haltungen können anderen das Leben nehmen. Der Ursprung dieses „Tötens“ liegt in unserem Herzen. Neid, Hass, Wut, Zorn und Respektlosigkeit beleidigen den Nächsten und berauben ihn seiner Würde. Das ausgesprochene Schimpfwort (Jesus nennt als Beispiele „Dummkopf“ und „Idiot“) ist ein Anschlag auf das Leben und verdient Bestrafung durch ein Gericht. Jesus schaut nicht nur auf die Tat, sondern auch auf den Ursprung der Tat – auf die Gesinnung, die dahintersteckt. Sie ist die Wurzel des Übels. Im Herzen wird die lebensvernichtende Tat geboren und muss deshalb schon an der Wurzel verhindert werden. Das 5. Gebot wird damit ganz aktuell für jeden von uns.

Begierde ist schon Ehebruch

Das mosaische Gesetz verbietet eindeutig den Ehebruch. Mit dieser Richtigkeit ist für viele dieses Gebot erledigt – schließlich können sie selbstsicher darauf hinweisen, dass sie dieses Gebot noch nie gebrochen haben. Auch hier wird Jesus radikal (geht an die Wurzel): „Jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, hat schon Ehebruch mit ihr begangen in seinem Herzen.“ Auch hier ist der Gedanke die Wurzel zur Tat. Es mag uns sauer aufstoßen, welche Forderungen Jesus in diesem Zusammenhang aufstellt. Ruft er wirklich zur Selbstverstümmelung auf – im Sinn: eher ein Körperteil als die Seele zu verlieren? Würden dann, wenn wir das ernstlich umsetzen, unsere Versammlungen nicht zu einem Treffpunkt von Blinden und Verstümmelten? Denn wer kennt sie nicht, diese Begierden und lebensvernichtenden Gedanken in uns?

Der Zusammenhang dieser radikalen Aussagen ist wichtig: Jesus sieht sich mit selbstgerechten Gläubigen konfrontiert, die meinen, die Gebote selbstverständlich zu halten. Aber dadurch verlieren sie ihre Wirkung. Sie sind kein Spiegel mehr, der zeigt, wie und wo wir fehlen. So sind diese harten Aussagen ein Weckruf – wach zu werden in einem selbstsicheren, scheinheiligen Glaubenssystem für eine ehrliche Gottesbeziehung. Aufmerksam zu werden, für die Wurzeln der Sünde und der Verfehlungen – und dann einen guten Umgang damit zu finden. Ich bin dann mittendrin. Ich stehe nicht mehr distanziert neben dem Anspruch der Gebote, weil ich ja weder jemanden ermordet noch meine Ehe gebrochen habe. Ich entdecke in den Worten Jesu: Ich bin hier genauso betroffen, weil Neid und Gier auch zu meinen Gedanken gehören.

Eine offene Tür

Dieser Bibelabschnitt könnte depressiv machen; schließlich gibt es niemanden unter uns, der nicht schon im Sinne Jesu das 5. und 6. Gebot übertreten hat. Aber diese Erkenntnis soll uns nicht vernichten, sondern aufrichten. Hinter den harten Worten steckt die Liebe Christi, die zur Umkehr ruft – zur Neubesinnung. In den Versen 23ff. zeigt Jesus einen Weg auf: „Wenn du zum Altar gehst und dir fällt ein, dass mein Bruder, meine Schwester etwas gegen mich hat, dann kläre es mit ihm oder ihr.“ Frömmigkeit (Spiritualität) und gelebter Glaube (Ethik) sind untrennbar. Im Abendmahl wird dies jedes Mal vollzogen: „Guter Vater, im Licht deiner Gegenwart erkenne ich, dass ich gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken.“ Das Licht offenbart unsere Schatten. Ich nehme das Angebot der Vergebung in Anspruch und erhalte darin auch den Mut, Dinge mit mir und anderen zu klären. Ich lasse mich durch die Liebe Christi erneuern – auch meine Gedanken und Begierden.

Fragen zum Gespräch

  • Was ist wohl der Grund, warum Jesus gerade an den beiden Beispielen (5. und 6. Gebot) so radikal agiert?
  • Empfinde ich sein Reden vom Gericht als Drohung und Angstmache? Oder als einen mutmachenden Weckruf und damit als eine Hilfe zur Neuorientierung?
  • Was ist in diesen Versen die „bessere Gerechtigkeit“?
  • Was ist für mich das Evangelium in diesem Bibelabschnitt?

Lieder: GL 207, FJ best of 113 Zwischen Himmel und Erde

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