04/2025-05-2025

Christus, Christus und nochmal Christus (Kolosser 2,1-23)

Paulus, einst ein Christusleugner und Christenverfolger, dem Christus auf eindrückliche Weise begegnete, wird seither von einem zentralen Anliegen getrieben: Alle Menschen sollen erkennen, dass Christus das große Geheimnis Gottes ist. Dieses Geheimnis gilt es zu entdecken, zu verstehen und ins Leben aufzunehmen. Denn nur dann kann unser Leben seine eigentliche Bestimmung finden. Für Paulus hängt alles an Christus – und darum auch alles von Christus ab.

Christus, die Quelle (V. 1-5)

Für Paulus ist Christus die Quelle, die Weisheit und Erkenntnis schenkt. Doch diese Begriffe bedeuten in der Bibel viel mehr als bloß Wissen oder Erfahrung. Sie stehen in direkter Verbindung mit Gott. Weisheit erlangt nur, wer Gott erkennt, und in Christus hat Gott sich sichtbar gemacht. Darum gibt es wahre Weisheit und echte Erkenntnis nur durch ihn. Paulus weiß aber auch: In dieser Welt gibt es vieles und viele, die uns von dieser Quelle abbringen wollen. Deshalb mahnt er eindringlich: „Lasst euch nicht betrügen!“ Es lohnt sich, an dieser Quelle zu bleiben und sich auf den Weg zu machen, ihre Tiefe und ihre Bedeutung immer mehr zu entdecken.

Christus, die Fülle (V. 6-15)

Das Wort „Fülle“ klingt altmodisch und wird im Alltag kaum noch benutzt. Doch Paulus beschreibt mit diesem Begriff eine unfassbare Realität: In Christus wohnt die „ganze Fülle Gottes“ leibhaftig (V. 9). Damit meint er, dass der unendliche Gott, der Schöpfer des Kosmos und allen Lebens, sich in Jesus von Nazareth offenbart hat – dem Kind in der Krippe, dem Wanderprediger, dem Gekreuzigten, Auferstandenen und zum Himmel Aufgefahrenen. Diese Fülle macht Christus einzigartig und unvergleichlich. Darum kann es gar nichts anderes, vernünftigeres, weiseres geben, als sein Leben bei diesem Christus zu gründen (V. 7), sich von diesem Christus erfüllen zu lassen (V.10), sich von diesem Christus in ein Leben der Freiheit führen zu lassen (V.13).
Paulus betont, dass diese Freiheit ein Geschenk ist. Wer Christus annimmt, wird von Sünde und Schuld befreit – und mit Gott versöhnt. Doch diese Freiheit ist immer auch in Gefahr. Es braucht ein bewusstes Vertrauen in Christus und ein Leben, das sich an ihm orientiert.

Christus, der Maßstab (V. 16-23)

Ist es nicht einigermaßen frustrierend, festzustellen, dass es offensichtlich schon zu Paulus Zeiten so war, dass Menschen gleich dabei waren, diese grandiose Botschaft von Christus der Quelle und Christus der Fülle gleich wieder einzuengen? Sie in enge Schubladen zu stecken. Sie an Bedingungen zu knüpfen. Sie in so kleinkarierte Muster hineinzupressen, dass von der ganzen Fülle und der ganzen Freiheit nur noch ein müder Abklatsch übrigblieb. Paulus schreibt: „Warum lasst ihr euch wieder Vorschriften machen, als lebtet ihr noch in der Welt?“ (V. 20). Die religiösen Regeln seiner Zeit – wie Essensgebote, Feiertagsvorschriften oder asketische Praktiken – seien nur ein Schatten des Zukünftigen (V. 17). Statt Freiheit führen sie oft zu falscher Selbstsicherheit (V. 18) und lenken von Christus ab (V. 19).
Paulus macht deutlich: Christus ist der Maßstab für Glauben, Leben und Ethik. An ihm entscheidet sich, was wirklich zählt. Alles andere ist vergänglich und kann die Freiheit, die Christus schenkt, nicht ersetzen. Spannend ist, dass Paulus hier die bisherigen religiösen Maßstäbe – seine eigenen eingeschlossen – hinterfragt und relativiert.

Irritiert?

Dieser von Christus begeisterte Paulus fasziniert und irritiert zugleich. Sein leidenschaftliches Bild von Christus überzeugt mich – doch warum bewegt mich diese Erkenntnis nicht genauso wie ihn? Warum sehe ich in meinem Umfeld selten Mitchristen, die so in Bewegung sind wie Paulus? Die Freiheit, die Paulus durch Christus erlebt, und seine deutliche Kritik an einer gesetzlichen Frömmigkeit faszinieren und erschrecken mich ebenfalls.
Doch wenn ich in die Kirchengeschichte, in mein Leben und in die Kirche schaue, sehe ich oft das Gegenteil: Christsein wird viel zu oft zur gesetzlichen Veranstaltung, in der die Freiheit in Christus kaum spürbar ist. Was ist los mit uns? Warum lassen wir uns oft von Nebensächlichkeiten ablenken, anstatt uns auf Christus, die Quelle, die Fülle und den Maßstab, zu konzentrieren?

Fragen zum Gespräch

  • Inwiefern entdecke ich Christus als die Quelle in meinem Leben? Wo schöpfe ich wirklich aus ihm – und wo lasse ich mich von anderen Quellen leiten?
  • Paulus kritisiert eine gesetzliche Ethik und lädt ein, die Freiheit in Christus zu entdecken. Wie spiegelt sich diese Freiheit in unserem Glaubensleben wider? Wo erleben wir Mangel statt Fülle?
  • Was hindert uns daran, wie Paulus von Christus begeistert und von seiner Freiheit erfüllt zu sein?

Lieder: GL 383, FJ4 161 Freiheit der Kinder Gottes

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