Wie viel Wert hat Vollwertkost?
In den letzten vierzig Jahren habe ich so viele Ernährungstrends kommen und gehen sehen, dass ich manchmal schmunzeln muss. Mal war Butter der Inbegriff des Ungesunden, dann plötzlich wieder „in“. Eier galten als Cholesterinbomben, dann als wertvolle Eiweißquelle. Gemüse aus dem Süden wurde als Vitaminbooster gefeiert, dann wegen langer Transportwege und schädlicher Spritzmittel kritisiert. Margarine war einst die gesunde Alternative – bis sie es nicht mehr war. Kaum ist ein Trend da, ist er auch schon wieder vorbei. Und der nächste steht schon bereit: Low Carb, Paleo, Superfoods, Clean Eating – wer soll da noch durchblicken?
Vollwertkost steht heute hoch im Kurs: naturbelassen, frisch, regional, maßvoll. Die Wissenschaft bestätigt: Wer sich so ernährt, tut seiner Gesundheit und der Umwelt Gutes. Aber auch hier gibt es immer wieder neue Moden und Unsicherheiten. Muss ich wirklich alles „richtig“ machen? Darf ich noch Butter essen oder muss es Margarine oder gleich der geschmacksneutrale Low-fat-laktosefreie-balance-joghurt-Frischkäse sein? Ist Dinkel besser als Weizen? Und was ist mit Avocado, Chiasamen und Co.?
Mir ist gesunde Ernährung wichtig. Aber manchmal frage ich mich: Machen wir nicht zu viel Aufhebens darum? Essen ist mehr als Nährstoffaufnahme – es ist Genuss, Gemeinschaft, Schöpfungserfahrung. Und manchmal auch einfach: satt werden.
Die Bibel gibt uns dazu eine wohltuende Gelassenheit. Schon im Schöpfungsbericht heißt es: „Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen“
(1Mo 1,29). Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Im Neuen Testament erinnert Paulus: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird“ (1Tim 4,4).
Natürlich heißt das nicht, dass alles egal ist. Die Bibel mahnt immer wieder zur Mäßigung und zur Verantwortung: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut – tut alles zur Ehre Gottes“ (1Kor 10,31). Maßlosigkeit, Verschwendung und Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur sind nicht im Sinne des Schöpfers.
Vollwertkost hat Wert – für Gesundheit, Umwelt und Genuss. Aber sie ist kein Heilsbringer. Vielleicht ist das die eigentliche Vollwertigkeit: Dankbar genießen, maßvoll leben, Verantwortung übernehmen – und sich nicht verrückt machen lassen. Stattdessen: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist“ (Ps 34,9). Manchmal schmecke ich das sogar beim Essen eines Brausestäbchens …