08/2025-09/2025

Es reicht nicht!

„Es reicht noch nicht!“, so rief die hochbetagte Mutter meiner Freundin immer wieder einmal aus. Dieser Satz berührt mich nicht nur, er fährt mir mitten durchs Herz. Was für ein Schmerz! Mit über 90 Jahren war sie ein treues Mitglied in Kirche und Gemeinschaft. Von außen betrachtet ein frommes und rechtschaffenes Leben – und jetzt dieses angstvolle: „Es reicht noch nicht!“ Mal ehrlich, was wäre Ihr erster Impuls? „Mutti, schau mal, Gott ist gnädig, seine Gnade ist genug!“ Aber hilft das in dieser Situation? Vermutlich weiß sie es doch nur zu gut. Müssten wir nicht eigentlich genau das Gegenteil sagen: „Ja, genau! Es reicht nicht – und zwar nie!“ Du kannst nicht genügen – du musst es aber auch nicht! Gnade heißt nicht: Jesus zuerst – aber dann sind wir dran!

Nur wie tief steckt dieser Gedanke auch in meinem Herzen? Und wie entkommen wir dem Zwang, uns durch Funktionieren und den „rechten Glauben“ rechtfertigen zu wollen? Wir wissen, dass es nicht geht und probieren es trotzdem. Nicht bewusst, aber unbewusst springt dieser Mechanismus doch in vielen von uns an. Dabei beschreibt Jesus selbst die „Schlüsselqualifikation“ für das Reich Gottes mit einem Wort: Empfangen! „Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen!“ (Markus 10,15) .
Wer das Reich Gottes nicht empfängt? Wieso fällt uns genau das so schwer? Und was kann helfen, sich dafür zu öffnen?

Mir hilft dazu ein kleines, eigentlich sehr schlichtes Gebet, das ich mit meinem Atem verbinde: „Du bist (einatmen) – da (ausatmen)!“ Dabei mache ich mir bewusst, dass Gott mich freundlich anschaut und mir sein Angesicht zuwendet, wie es im aaronitischen Segen heißt. Gott selbst ist da in dieser Welt – und auch bei mir und in meinem Herzen! Mein Kopf weiß das, aber mein Herz lernt durch diese kleine Übung mehr und mehr, es wirklich zu glauben. Ob es trägt, wenn es auf das Ende zu geht? Das können wir nicht sagen. Denn wir sind nicht die „Meister unseres Lebens“ und das merken wir in zwei Momenten ganz besonders: In der Stunde unserer Geburt und in der Stunde unseres Todes. Hier erkennen wir, was Gnade heißt, dass ein anderer uns hält und wir geborgen sind in seinen Händen. Vielleicht sind diese beiden Augenblicke die eigentlichen Stunden der Gnade!

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